Takfir: Jemanden zum Ungläubigen erklären
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- Takfir: Jemanden zum
Ungläubigen erklären
- Was ist Takfir?
- 1. Die erste Voraussetztung ist, dass die Person „wissen“ muss, dass das, was sie macht Kufr ist.
- 2. Die zweite Voraussetzung ist, dass eine „Absicht (Niya)“ vorhanden sein muss.
- 3. Die dritte Voraussetzung, die erfüllt werden muss ist der „freie Wille“. Jener, der den Kufr begeht, darf dies nicht unter Zwang tun, um als Kafir zu gelten.
- 4. Hierzu (wenn einer zum Kafir erklärt werden soll) kommt noch eine vierte Bedingung hinzu. Diese lautet:
- 5. Die fünfte Voraussetztung: Jemanden zum Kafir erklären, kann vom ta'wil (Interpretation) abhängen.
- Was ist Takfir?
Takfir: Jemanden zum Ungläubigen erklären
Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen
Alles Lob gebührt Allah und gesegnet sei unser lieber Prophet Muhammad. Mir ist heute eine schwierige Aufgabe anvertraut worden. Man bat mich, über eines der gefährlichsten Angelegenheiten zu sprechen, worüber sich die Leute ohne Hemmungen äußern. Das Thema betrifft den Iman (wahrer Glaube) und den Kufr (Verweigerung des wahren Glaubens) bzw. Das Verlassen des Iman und das Hineintreten in den Kreis des Unglaubens; möge Allah uns davor beschützen. Unser heutiges Thema ist "Takfir": das Verurteilen eines Muslims als Ungläubigen und über die Voraussetzungen, die hierbei erfüllt werden müssen, damit eine Person als Kafir bezeichnet werden kann. Ich selber halte mich nicht für einen besonderen Gelehrten, der die beste Antwort auf diese Frage geben kann. Jedoch werde ich mit einer einfachen Sprache, die für euch verständlich ist, versuchen von den Aussagen der großen Gelehrten das vorzutragen, was sowohl mir als auch euch von Nutzen sein wird.
Was ist Takfir?
Takfir ist eine der Fragen, mit der sich nur die 'Ulama (Gelehrten) auseinandersetzen dürfen, weil dieses Thema sehr gefährlich ist. Wie ich jedoch anfangs erwähnte, befasst sich mit diesem Thema jeder. Jeder nimmt sich das Recht - ohne jegliche Eingrenzung, ohne jegliche Voraussetzung, ohne jegliche Regeln - eine andere Person zum Kafir zu erklären, und dass sie den Islam verlassen und mit ihm nichts mehr zu tun hat. Dies ist zugleich ein Merkmal unserer Zeit; man spricht über alle Angelegenheiten der Schari'a, ohne Regeln und ohne dabei die Worte der islamischen Gelehrten heranzuziehen.
Daher ist das Sprechen über den Takfir sehr gefährlich und die Vertiefung hierin, ohne selbst darüber Bescheid zu wissen, stellt eine große Sünde dar.
Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) sagte; "Wer zu seinem Bruder sagt 'o du Ungläubiger', dann ist einer von beiden ungläubig." Die 'Ulama sagen, dass der Kufr, den er seinem Bruder zuschreiben wollte, auf ihn zurückgefallen ist. Ein anderer Teil der Gelehrten, wie z. B. Hafidh Ibn Hadschar, sagt, dass die Weisheit, die sich hinter diesem Hadith verbirgt, jene ist, damit die Menschen von ähnlichem Vorhaben Abstand nehmen. Somit war es Ziel des Propheten Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm), diese Tat als verabscheuungswürdig darzustellen. Deswegen hat er diesen Ausdruck (einer von beiden ist ungläubig) benutzt. Dieser takfir fällt auf ihn zurück.
Wenn wir über den takfir sprechen, müssen wir eine Unterscheidung zwischen dem allgemeinen- und dem spezifischen Takfir machen.
Der allgemeine Takfir bedeutet, dass eine bestimmte Tat als Kufr zu bezeichnen ist. So kann man sagen, ohne die Person näher zu spezifizieren, dass die Tat, die begangen wird, kufr ist. Daher ist die Tat an sich Kufr. Diese Form nennt man den allgemeinen Takfir.
Unter spezifischem Takfir versteht man: jemand Bestimmten zum Ungläubigen erklären. Das heißt, dass man denjenigen, der diese Tat begeht, zum Ungläubigen erklärt. Die 'Ulama von Ahlus-Sunna unterscheiden zwischen diesen beiden Arten. So kann man in jeder Situation sagen, dass eine bestimmte Tat Kufr ist.
Beispielsweise ist der Säkularismus Kufr, weil er den Islam vom Staat trennt. Kann man jetzt für jeden Säkularisten sagen, dass er ein Ungläubiger ist? Nein. Und das ist der Unterschied. Über ihn kann man nicht sagen, dass er ungläubig ist, solange er die Voraussetzungen nicht erfüllt, die ich aufzählen werde. Diese Regel ist von allgemeiner Natur; hier handelt es sich um jede Tat. Die Verrichtung der Niederwerfung vor jemand anderem als Allah ist Kufr. Ist jeder, der dies macht, ein Kafir? Nein.
Es gibt Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, damit diese Person zum Ungläubigen wird. Auf diese Weise bewahrt sich der Muslim in allen Fällen vor dieser gefährlichen Krankheit. Er bewahrt sich, indem er sagt: "Diese und diese Tat ist Kufr." Das Spezifizieren, wer Ungläubiger ist, soll man den Gelehrten überlassen, damit sie die Regeln, die aufgestellt wurden, auf eine bestimmte Person anwenden.
So haben die Gelehrten, wie ihr wisst oder auch nicht, den Führer der libyschen Revolution, Muammmer al-Gaddafi, als Kafir bezeichnet. Es gibt eine Fatwa, in der er als Ungläubiger verurteilt wurde, weil er den Propheten (Allahs Segen und Frieden auf ihm) negiert, indem Gaddafi sagte, dass Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) nur ein Araber wie er selber sei. Deswegen hat Gaddafi geäußert, dass er für sich das Recht beansprucht, über den Islam zu sprechen, wie es auch der Prophet Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) getan hat. Dies ist ein Beispiel des spezifischen Takfirs, wenn man sagt, dass eine bestimmte Person Kafir ist. Während in allgemeiner Form jeder Muslim sagen kann, sofern er im Besitz eines Beweises ist, dass die Tat an sich Kufr ist.
Den Kern dieses Vortrages stellen diese Voraussetzungen dar, die erfüllt werden müssen, um eine Person als Kafir bezeichnen zu dürfen.
1. Die erste Voraussetztung ist, dass die Person „wissen“ muss, dass das, was sie macht Kufr ist.
Den Beweis hierzu findet man in zahlreichen Hadithen.
Ein Mann kam zum Propheten (Allahs Segen und Frieden auf ihm) und sagte zu ihm: "Es möge so sein, wie Allah es will und du willst." Daraufhin antwortete ihm der Prophet (Allahs Segen und Frieden auf ihm ): "Nein, es möge so sein, wie Allah alleine will." (Muslim)
Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) hat ihn nicht zu einem Ungläubigen erklärt, obwohl jemandes Gleichsetzung mit Allah Kufr ist. Jedoch hat die Unwissenheit des Mannes ihn davor bewahrt, vom Islam ausgeschlossen zu werden.
Ein weiterer Beweis ist auch die Handlungsweise des Muadh (Allahs Segen und Frieden auf ihm), als er aus dem Scham[1] kam und sich vor dem Propheten (Allahs Segen und Frieden auf ihm) niederwarf. Daraufhin fragte ihn Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm): "Wieso tust du das?" Er antwortete: "O Gesandter Allahs, ich habe dort Leute vorgefunden, wie sie vor ihren Priestern Niederwerfung machen und dachte, es wäre auch schön, wenn wir dieses vor dir machen würden."
Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) sagte: "Macht das nicht. Wenn ich jemanden befohlen hätte, sich vor jemand anderem niederzuwerfen, so hätte ich der Ehefrau befohlen, sich vor ihrem Ehemann aufgrund der vielen Rechte, die er über sie besitzt, niederzuwerfen."
Obwohl Muadh ibn Dschabal (Allahs Wohlgefallen auf ihm) eine Tat des Unglaubens begangen hatte, erklärte ihn Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) nicht zum Ungläubigen.
Ein weiterer Beweis ist der Hadith bei Bukhari und Muslim, den Schaikh-ul-Islam (Ibn Taymiyya) oft zitierte, als er über dieses Thema sprach:
Es wird überliefert, dass einer aus dem Volk der Früheren sagte: "Wenn ich sterbe, verbrennt mich, danach zermalmt meinen Körper und zerstreut ihn über das Meer. Bei Allah, wenn Allah in der Lage sein wird, mich neu zu erschaffen, wird er mich mit einer Strafe belegen, mit der er keinen der Früheren bestraft hat."
Dann hat ihn Allah auferstehen lassen und ihn gefragt: "Was hat dich veranlasst (so zu handeln)? Er antwortete: "Ich habe mich vor Dir gefürchtet. Ich fürchtete mich vor deiner Strafe." Daraufhin hat ihm Allah verziehen.
Wir sehen dass dieser Mann etwas verneint hatte, was eigentlich genügt, um den Islam zu verlassen. Er hat Allah die Fähigkeit abgesprochen, dass Er den Menschen auferstehen lassen kann. Im Grunde hat dieser Mann geglaubt, dass Allah die Menschen neu erschaffen wird, aber er hat nicht daran geglaubt, dass dies auch dann möglich ist, nachdem man ihn verbrannt und in die Winde verstreut hat. Er zweifelte daran, dass Allah in dieser Situation in der Lage wäre, den Menschen auferstehen zu lassen.
Ibn Taymiyya sagt, dass dieser Mensch die Macht Allahs verneint hat, den Menschen neu zu erschaffen, was nach dem Idschma' (Übereinstimmung) aller Muslime den Unglauben darstellt. Jedoch war er unwissend, und Allah hat ihm wegen seiner Furcht vor Ihm verziehen. Ibn Taymiyya fährt fort und sagt: "Wie viele Muslime es wohl gibt, die etwas ähnliches sagen, aber Allah ihnen verzeiht, weil sie dies aus Unwissenheit sagen."
Diese waren die Beweise, dass die Unwissenheit den Menschen vor dem Ungläubig werden bewahren kann. Somit ist das eine der Voraussetzungen, um ungläubig zu werden.
Hierbei gilt diese Regel sowohl für den Gelehrten als auch für die Ungelehrten. Wenn ein Gelehrter den Islam gut kennt, ausgenommen eines bestimmten Bereiches, und (genau in diesem Bereich) macht er eine Tat des Kufr, so hat er vor Allah eine Entschuldigung. Wie Schaikh-ul-Islam sagte: "Es gab bei den früheren Gelehrten einige, die Neuerungen gemacht haben, ohne dass ihnen dies bewusst war. Sie haben sich auf bestimmte Hadithe berufen, die sie für authentisch hielten, diese aber in Wirklichkeit nicht authentisch waren. Sei es deswegen, weil sie die Verse aus dem Koran falsch verstanden haben, oder weil sie eine Meinung vertraten, ohne sich auf einen Beweis zu stützen."
So sehen wir, dass Ibn Taymiyya auch einen Gelehrten als entschuldigt ansieht, wenn er in einem Teil des Islam aus Unwissenheit den Kufr begeht. Was ist dann mit einem Unwissenden, der nicht nur über ein Gebiet des Islam unwissend ist, sondern über den Islam insgesamt?
Was die Unwissenheit anbelangt, so gibt es, wie bereits von mir erwähnt, keine Unterschiede zwischen der islamischen Rechtsprechung (Fiqh) und den Grundlagen des Glaubens ('Aqida).
Es gibt keinen Unterschied zwischen demjenigen, der im Bereich des Fiqh eine Tat des Unglauben begeht und demjenigen, der den Fehler in 'Aqida macht.
Das war die erste Voraussetzung, die erfüllt werden muss, damit einer als Kafir gelten kann.
2. Die zweite Voraussetzung ist, dass eine „Absicht (Niya)“ vorhanden sein muss.
Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) sagte: "Die Taten sind entsprechend der Absicht." Hiervon ist keine Tat ausgenommen. Und der Mensch wird nach dem entlohnt, was er mit seiner Tat beabsichtigte.
Der Beweis, dass die Absicht in Betracht gezogen werden muss, wenn einer zum Kafir erklärt werden soll, ist das Beispiel der Sahaba.
Sie sagten zu Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) "raina". Dies kann im Arabischen zwei Bedeutungen haben; es kann sowohl "o du Tauber, höre uns zu" oder nur "höre uns zu" bedeuten. Die Juden, die zu Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) "raina" gesagt haben, meinten die erste Bedeutung. Die Sahaba (Allahs Segen und Frieden auf ihm) meinten jedoch die zweite Bedeutung. Deswegen hat Allah sie nicht zu Ungläubigen erklärt. "O ihr Gläubigen, sagt nicht "raina", sondern "unzurna" (warte auf uns, höre auf uns) und gehorcht, und auf die Ungläubigen wartet eine schmerzliche Strafe." (2:104)
Wir sehen, dass die Sahaba (Allahs Wohlgefallen auf ihnen), obwohl sie die Worte des Kufr ausgesprochen haben, nicht den Islam verlassen haben, da sie keine Absicht (für diesen Kufr) trugen.
Das zweite Beispiel handelt über die Verleumdung Aischas (Allahs Wohlgefallen auf ihr) gegenüber. Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) bestrafte bestimmte Sahaba, aber Abdullah ibn Ubayy, der diese Aktion der Verleumdung angeführt hatte, bestrafte er nicht. Diejenigen, die er bestrafte, denen erteilte er achtzig Peitschenhiebe. Wieso hat er diese Strafe über sie verhängt? Weil sie keine Ungläubigen wurden, obwohl sie die Verleumdung verbreitet haben. Unter ihnen waren z. B. Hassan ibn Thabit, Hametu bintu Jahsch und ein Cousin Abu Bakrs, woraufhin Abu Bakr schwor, ihm nie wieder zu helfen.
Diese wurden mit achtzig Peitschenhieben bestraft. Warum? Weil sie nicht die gleiche Absicht hatten, wie Abdullah ibn Ubayy. Sein Ziel war nicht Aischa (Allahs Wohlgefallen auf ihr) als Person, sondern er wollte bei den Muslimen das Bewusstsein hervorbringen, dass deren Prophet nicht vertrauenswürdig war. Somit wäre die Person, die sich als Prophet ausgibt, kein Gesandter Allahs. Wenn der Prophet mit einer zweifelhaften Person in der Ehe lebt, dann ist er selber zweifelhaft.
So wie die Schi'a, wenn sie über die Sahaba schimpfen, schimpfen sie nicht über den Propheten (Allahs Segen und Frieden auf ihm), aber sie tun dies auf eine indirekte Weise. Was werden die Leute sagen? Wenn die Sahaba vom Glauben abgefallen sind, wer war deren Erzieher? Folglich, wenn sie nicht gut sind, dann ist deren Erzieher auch nicht gut.
In diesem Fall wollte Abdullah ibn Ubayy indirekt dem Propheten unterstellen, was nicht das Ziel der anderen Sahaba war, die das Ganze nur weitergegeben haben. Allah , der Erhabene, offenbarte nicht, dass sie ungläubig geworden sind.
Wenn Leute in einer bestimmten Situation in den Unglauben gefallen sind, dann kam die Offenbarung von Allah, um darauf hinzuweisen, wie dies der Fall mit denjenigen war, die den Propheten (Allahs Segen und Frieden auf ihm) verspottet haben. Als sie über seine Gefährten sagten: "Wir haben keine größeren Bäuchefüller als diese Sahaba, größere Lügner, wenn sie sprechen und größere Feiglinge als diese, wenn sie kämpfen, gesehen." Dies war der Grund, weshalb folgende Aya offenbart wurde: "Versucht euch nicht zu entschuldigen. Ihr seid ungläubig geworden, nachdem ihr geglaubt." (9:66)
Dies ist der Beweis, dass einige direkt aus dem Iman in den Kufr übergegangen sind. Daraus folgt: wenn es um Kufr ging, hat Allah die Offenbarung herabgesandt, um darauf hinzuweisen.
Dies war die zweite Voraussetzung, die erfüllt werden muss, um eine Person mit dem Unglauben bezichtigen zu können. Deshalb muss sie die Absicht gefasst haben, Kufr begehenn zu wollen.
3. Die dritte Voraussetzung, die erfüllt werden muss ist der „freie Wille“. Jener, der den Kufr begeht, darf dies nicht unter Zwang tun, um als Kafir zu gelten.
Wir hören oft von vertrauenswürdigen Personen, dass sie auf dem richtigen Wege sind. Wir sind von ihnen nichts gewohnt, was im Widerspruch zu dieser Religion steht. Jedoch hören wir von ihnen die Worte des Kufr. Dann sagen wir in aller Eile, dass sie keine Muslime mehr sind. Dabei fragen wir uns nicht, ob es eine bestimmte Erklärung oder Entschuldigung für ihr Verhalten gibt. Sind sie gezwungen worden, die Worte des Kufr zu sagen? Dies sollte normalerweise unter Betracht gezogen werden, wenn es sich um dieses gefährliche Thema handelt. Allah sagt: "Wer Allah verleugnet, nachdem er geglaubt hat - den allein ausgenommen, der (dazu) gezwungen wird, während sein Herz im Glauben Frieden findet -, auf jenen aber, die ihre Brust dem Unglauben öffnen, lastet Allahs Zorn; und ihnen wird eine strenge Strafe zuteil sein." (16:106)
Diese Aya ist der Beweis, dass es dem Menschen erlaubt ist, die Worte des Kufr unter Zwang zu sagen. Ich werde später die Voraussetzungen aufzählen, die gegeben sein müssen, um die Worte des Kufr aussprechen zu dürfen.
Diese Aya wurde wegen Ammar ibn Yassir (Allahs Wohlgefallen auf ihm) offenbart, als er die Götzen der Muschrikun nicht gelobt hatte und er solange gequält wurde, bis er die Worte des Kufr sprach. Dann kam er zu Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm), und er sagte zu ihm: "Sollten sie dich wieder quälen, so sprich diese Worte erneut."
Von Abdullah ibn Mas'ud () wird überliefert, dass er sagte: "Wenn ein Herrscher versuchen würde, mich zu verleiten, etwas zu sagen, und ich mich hierdurch seiner Strafe erretten könnte - so würde ich es tun.“ Ibn Hazm sagte: Die Tatsache, dass keiner der Sahaba sich diesen Worten widersetzte, deutet daraufhin, dass es hierbei um eine stillschweigende 'Idschma (Konsens) der Sahaba handelte.
Islamische Gelehrte haben bestimmte Bedingungen für den Zwang aufgestellt:
1. Dass die Person, die uns droht, auch tatsächlich in der Lage sein wird, diese Drohung zu vollstrecken.
2. Der Bedrohte muss eine feste Annahme haben, dass die Drohung vollstreckt wird. Wenn man sich also nicht sicher ist, ob derjenige die Drohung wahr werden lassen kann, ist es nicht erlaubt, die Worte des Kufr zu sprechen. Oder auch wenn man eine Möglichkeit hat, dem zu entgehen, ist es ebenfalls nicht erlaubt, die Worte des Kufr auszusprechen.
3. Es wird mit etwas Heftigem angedroht. Hierzu gehören u. a. Töten, Gefängnis oder Schläge.
Dies sind die drei Bedingungen, welche von den islamischen Gelehrten aufgestellt worden sind, um das Aussprechen der Worte des Kufr zu erlauben.
Es ist auch in solch einer Situation lobenswerter, die Wahrheit zu sagen, so wie es bei Imam Ahmad ibn Hanbal der Fall war.
Er widersetzte sich dem abbasidischen Kalifen Ma'mun, als dieser von den Gelehrten verlangte, zu bezeugen, dass der Koran erschaffen sei. Auf diese Weise hat Imam Ahmad die richtige Glaubensweise gerettet. Also jenen Glauben, den die Ahlus-Sunna heute haben und die wäre, dass der Koran nicht erschaffen, sondern die Aussage Allahs ist.
Imam Ahmad war alleine und die anderen Gelehrten haben dem Kalifen Folge geleistet. Auf diese Weise haben sie sich vor seiner Strafe bewahrt. In diesem Kontext ist zu erwähnen, dass Imam Ahmad danach etwas strenger mit denjenigen verfahren ist, die nicht so handelten wie er. Er nahm von ihnen keine Hadithe mehr an. Zu ihnen gehört Yahya ibn Ma'in, ein bekannter Muhadith. Obwohl, die richtigere Meinung in dieser Gelegenheit wäre, von der Ruchsa (Erleichterung) Gebrauch zu machen und die Worte des Kufr zu sprechen.
4. Hierzu (wenn einer zum Kafir erklärt werden soll) kommt noch eine vierte Bedingung hinzu. Diese lautet:
„Der Mensch muss sich seiner Worte bewusst sein,wenn er sie ausspricht.„
Der Beweis hierfür ist der Hadith, in welchem Muhammad (Allahs Segen und Frieden auf ihm) über den Wert der Reue spricht und das Beispiel eines Mannes vorbringt, der in der Wüste sein Reittier verloren hat. Als dieses wieder auftauchte, sagte der Mann aus Freunde: "O Allah, du bist mein Diener und ich bin dein Herr."
Wenn der Mensch Freude, Angst und Trauer empfindet, kann es passieren, dass er die Worte sagt, denen er sich nicht bewusst ist. Unter anderem die Worte des Unglaubens.
Wenn der Mensch die Worte des Unglaubens ausspricht, so wird von ihm verlangt, dass er sie zurücknimmt. Falls er zu ihnen steht, dann werden die Beweise gegen ihn vorgebracht und anschließend wird er zum Ungläubigen erklärt.
Wenn daher eine Person im berauschten Zustand die Worte des Unglaubens ausspricht, dann wird man sie im nüchternen Zustand ermahnen, was sie gesagt hatte. Sollte sie auf ihrer Meinung beharren, wird sie, falls die Bedingungen erfüllt sind, zum Kafir.
5. Die fünfte Voraussetztung: Jemanden zum Kafir erklären, kann vom ta'wil (Interpretation) abhängen.
Es kann manchmal vorkommen, dass ein Gelehrter oder diejenigen, die ihm folgen, die Worte des Unglaubens aussprechen. Dies kann deswegen passieren, weil sie einer falsche Interpretation folgen. Sie befinden sich nicht im Besitz aller Beweise, die notwendig wären, um die Sache von allen Seiten zu beleuchten. Also macht er eine Sünde, die als solche nicht bewertet wird.
Das beste Beispiel hierfür sind die Khawaridsch, die von den Sahaba nicht für Ungläubige erklärt wurden. Diese lag am ta'wil, den sie vornahmen. Die Khawaridsch hielten sowohl Ali als auch Muawija (Allahs Wohlgefallen auf ihnen beiden) für Ungläubige, indem sie (die Khawaridsch) die Aya als Beweis nahmen: "Die Entscheidung (Hukm) ist einzig bei Allah." (12:40)
Der Hintergrund war der, dass sowohl einer aus dem Lager von Ali (Allahs Wohlgefallen auf ihm) als auch aus dem von Muawija (Allahs Wohlgefallen auf ihm) gesandt wurden, um eine Übereinkunft zwischen den beiden verfeindeten Parteien zu erzielen. Dann hat sich eine Gruppe der Muslime entfernt, die dannach den Namen Khawaridsch bekamen.
Sie vertraten die Meinung, dass die Entscheidung nur Allah gehört, und dass die Menschen kein Recht haben, sich in diese Angelegenheiten einzumischen.
Ali (Allahs Wohlgefallen auf ihm) hat diese Worte mit der Bemerkung kommentiert: "Worte der Wahrheit, mit denen Falsches anstrebt wird."
Die Khawaridsch haben alle Sahaba zu Ungläubigen erklärt, die an diesem Vorfall teilgenommen haben. Haben die Sahaba sie auch für ungläubig gehalten?
Ali (Allahs Wohlgefallen auf ihm) wurde über die Khawaridsch gefragt:
"Sind sie ungläubig?"
Ali (Allahs Wohlgefallen auf ihm) antwortete: "Sie sind vom Unglauben weggelaufen. Sie halten uns für die Ungläubigen."
"Sind sie Munafiqun (Heuchler)?"
Er sagte: "Die Heuchler gedenken Allahs nur wenig. Und diese gedenken Ihn Tag und Nacht. Sie sind unsere Brüder, die uns gegenüber einen Fehler und Unrecht getan haben."
Aus diesem Grund sagen die islamischen Gelehrten: Es kann vorkommen, dass eine Gruppe sich gegen den rechtmäßigen und gerechten islamischen Herrscher erhebt, weil sie denken, dass er die Schari'a nicht achtet. Gegen solche Leute wird nur in dem Maße vorgegangen, damit sie von dieser Tat ablassen.
Wir sehen, dass die Sahaba die Khawaridsch nicht für ungläubig hielten, wegen dem ta'wil, auf den sie sich beriefen.
Einer der Mu'tazila kam zu Schaikh-ul-Islam Ibn Taymiyya und sagte:
"Wir halten diejenigen für ungläubig, die uns für ungläubig halten." Daraufhin antwortete ihm Ibn Taymiyya: "Und wir halten denjenigen für ungläubig, den Allah und sein Gesandter für ungläubig halten."
Man soll auf diese Worte Acht geben. Die Tatsache, dass mich jemand für ungläubig hält, darf mich nicht dazu verleiten, ihn zum Ungläubigen zu erklären.
Ein Beispiel, dass man denjenigen nicht für ungläubig halten darf, der sich auf bestimmte Interpretationen beruft, ist das Beispiel jener, die Allahs Namen und Eigenschaften verneint haben. Sie taten dies aufgrund des ta'wil, auf den sie sich beriefen.
Sie sagten: "Wenn wir Allah Eigenschaften oder Namen zuschreiben würden, würden wir Ihn mit seiner Schöpfung gleichsetzen."
Und gerade aus diesem Grund haben die Gelehrten sie nicht zu Ungläubigen erklärt. Weil deren Absicht es war, Allah von etwas Negativem zu befreien, so wie sie das verstanden haben. Aber Allah hat sich selber so in seinem Buch und Muhammad (Allahs Segen und Friden auf ihm) hat ihn durch die Hadithe auf diese Weise beschrieben.
Ein weiterer Beweis dafür, dass der Mensch wegen einer Missinterpretation der Beweise zu keinem Ungläubigen wird, ist das Beispiel von Abdullah ibn Abbas (Allahs Wohlgefallen auf ihnen).
Dieser hielt den "Wertzins" für erlaubt. Dies bedeutet, dass es nicht verboten sei, einer Person einen Dirham für zwei zu leihen. Mit dieser Meinung ist ibn Abbas (Allahs Wohlgefallen auf ihnen) gestorben, so wie Ibn Jubejr es in einem Hadith mitteilt, der bei Bukhari und Muslim verzeichnet ist:
"Ich fragte Abdullah ibn Abbas ein Monat bevor dieser verstarb, ob es erlaubt wäre, einen Dirham für zwei zu leihen, woraufhin ibn Abbas mit 'Ja' antwortete."
Sein Beweis war der Hadith des Propheten (Allahs Segen und Heil auf ihm): "Es gibt keinen Zins außer im versetzten Auszahlen (arab. Na'sia)“, oder in einem anderen: "der Zins ist in Na'sia". Ibn Abbas (Allahs Wohlgefallen auf ihnen) berief sich also auf diesen Hadith und erlaubte den Wertzins. Trotzdem haben die Gelehrten nach ihm sowohl den Wertzins als auch Na'sia für verboten erklärt. Hierüber gibt es übereinstimmende Erklärung der islamischen Gelehrten.
Wie soll man dann die Meinung von Ibn Abbas verstehen? Zumal wir wissen, dass Muhammad (Allahs Segen und Friede auf ihm) sagte: "Allah hat denjenigen verflucht, der Zins isst, der dabei hilft, der Zeuge von solchen Transaktionen ist und jenen, der sie niederschreibt."
Und auf der anderen Seite haben wir Ibn Abbas, der den Wertzins erlaubt hatte.
Hierzu gibt es eine einfache Antwort. Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) sagt auch: "Die Pilgerreise (Hadsch) ist Arafa." Ist die Pilgerreise nur das Verweilen auf dem Berge Arafa? Wäre jemandes Pilgerreise gültig, wenn er z. B. tawaful-'ifada (Umkreisen der Kaaba) auslasen würde? Nein. Muhammad (Allahs Segen und Heil auf ihm) sagt uns in diesem Hadith, dass die wichtigste Sache während des Hadsch der Besuch von Arafa ist.
Auf diese Weise wollte er in diesem Hadith auch sagen, dass der schlimmste (also nicht der einzige) Zins, Na'sia ist.
Um es abschließend zusammen zu fassen; die Vorbedingungen, die erfüllt werden müssen, um jemanden zum Ungläubigen zu erklären, sind folgende:
1. Die Person muss WISSEN, dass die Handlungsweise Unglaube ist.
2. Die Person muss die ABSICHT haben, den Unglauben zu begehen.
3. Die Person darf nicht GEZWUNGEN werden, so zu handeln.
4. Die Person muss sich ihrer Worte/Tat BEWUSST sein.
5. Die Person hat eine Entschuldigung in Form einer INTERPRETATION.
WENN WIR DIES ALLES WISSEN, DANN MÜSSEN WIR AUF JEDEN FALL DAVON ABSTAND NEHMEN, EINZELNE PERSONEN ZU UNGLÄUBIGEN ZU ERKLÄREN.
Und zwar deswegen, weil wir nicht genug Wissen haben. Somit können wir auch nicht einschätzen, ob die o. g. Voraussetzungen bei einer bestimmten Person erfüllt worden sind. Wir sollen dies den Gelehrten überlassen.
Allah wird keinen von uns Fragen, weshalb wir eine bestimmte Person nicht zum Kafir erklärt haben, wenn wir dazu nicht imstande sind. Er wird aber die Gelehrten befragen, wenn sie die Wahrheit versteckt haben und den Unglauben einer bestimmten Person verdeckt hielten.
Was wir machen können ist zu sagen, dass eine TAT an SICH der Unglaube ist.
ENDE
[1] Gebiet des heutigen Syrien, Jordanien und Palästina; Anm. d. Übers.